Beitrag in 3sat | Wirtschaftsmagazin makro | Prof. Dr. Stefan Gäth

 >> Das Abfallaufkommen ist zur Weihnachtszeit besonders hoch. Denn aus vollen Gabentischen werden schnell volle Mülltonnen. Wie wir den Müll generell reduzieren können, darüber sprach makro-Moderatorin Eva Schmidt mit Stefan Gäth.

makro: Die Weltbevölkerung produziert jedes Jahr viele hundert Millionen Tonnen Plastikmüll. Wie können wir gegensteuern?

Gäth: Abfall zu produzieren, ist grundsätzlich nichts Verwerfliches. Es kommt darauf an, was wir mit den verschiedenen Arten von Abfall machen – den Abfall als Wertstoff begreifen, muss das Ziel sein. Trotz alledem müssen wir die Abfallvermeidung vorantreiben. Dazu bietet uns das aktuelle Weihnachtsgeschäft eine große Chance. Der Verzicht auf das eine oder andere Onlinepaket bedeutet zugleich die Einsparung von Verpackungsmüll. Schließlich ist die Effizienz der Verpackung von Paketen im Onlinehandel deutlich verbesserungswürdig.

makro: „Jute statt Plastik“: Wir reden über ein Leben ohne Plastik schon seit den 80er Jahren. Warum hat sich trotzdem in den vergangenen 30 Jahren so wenig bewegt?

Gäth: Kunststoffe spielen in unserer auf Konsum ausgerichteten Welt eine große Rolle. Das Schwinden von Großfamilien bzw. der Anstieg so genannter Singlehaushalte führt zwangsläufig zu einem anderen Einkaufsverhalten, das auf immer mehr einzeln verpackte Produkte abzielt. Oder schauen wir auf den Getränkemarkt – die Zunahme der Einwegflaschen aus Kunststoff ist Ausdruck der skizzierten Fehlentwicklung.

makro: Seitdem die Plastiktüte an der Kasse Geld kostet, ist der Gebrauch deutlich zurückgegangen. Dennoch ist er in Deutschland immer noch deutlich höher als in Dänemark, Irland oder Großbritannien. Brauchen wir nicht statt der freiwilligen Selbstverpflichtung des Handels eine klare gesetzliche Regelung?

Gäth: Was wir brauchen, sind meines Erachtens keine neuen gesetzlichen Regelungen. Die im Handel für 10-Cent angebotenen Plastiktüten sind zum einen zu billig, zum anderen sind sie nicht für einen mehrfachen Einsatz ausgelegt. Das bedeutet, der Kunde wird die Plastiktüte nach dem Einkauf kaum ein weiteres Mal nutzen. Verschiedene Einzelhändler bieten aber auch alternative Einkaufstaschen aus zum Beispiel Recyclingprodukten an, die mehrfach genutzt werden, weil sie ihren Wert haben.

makro: Kleidung aus Plastikmüll ist angesagt. H&M beispielsweise wirbt mit „Accessoires aus Strandabfällen“ oder „Pailletten aus recycelten Shampoo-Flaschen“. Ist das wirklich eine Trendwende in der Textilbranche?

Gäth: Aus der Sicht des Kunststoffabfalls wäre es zielführender, wenn aus dem Kunststoff der Shampoo-Flasche wieder ein Hohlkörper gemacht werden würde. Das ist grundsätzlich möglich und wird beispielsweise von einem Hersteller für Bodenreiniger bereits praktiziert. Accessoires aus recycelten Kunststoffen an Kleidungsstücken liefern keinen Beitrag für eine lebendige Kreislaufwirtschaft. Nach Nutzungsende dürften die Knöpfe und Pailletten verbrannt werden. Es ist zu befürchten, dass die Vermarktung einer „grünen Idee“ das Interesse des Produzenten ist und nicht der Wunsch einer nachhaltigen Wirtschaft.

makro: Begriffe wie „Upcycling“ oder „Recycling“ klingen zwar umweltbewusst. Aber wird dabei nicht verschwiegen, wie hoch der Energieaufwand ist?

Gäth: In der Regel erfordert die Primärproduktion von Rohstoffen, ob Aluminium oder Kunststoff, einen deutlich höheren Energieaufwand als die Rückgewinnung der Rohstoffe aus dem Abfall. Jeder von uns kann dabei dazu beitragen, den Energieeinsatz zu minimieren, indem wir unsere verschiedenen Arten von Abfall getrennt sammeln und den spezifischen Entsorgungssystemen zuführen.

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